Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Krimis / Thriller
Rezension
Die Hex ist tot
von Monika Geier
»`der Täter‘, sagte Dr. Lee mit einer Heftigkeit, die sie überraschte, `ist
böse.‘«
Weit entfernt von häscherischen Tatort-Absurditäten, bluttriefenden
Details, bewegt sich Bettina Boll in erfrischender Realität der
Polizeiarbeit. Boll, alleinerziehend, Halbtagskraft, nicht unbedingt
ordentlich, eine Frau mitten im Leben.
Diverse Kanaldeckel werden in der Pfalz immer wieder geöffnet. Nicht
unweigerlich ein Fall für die Kripo. Kopf nach unten, mit dem Hintern
nach oben, der guckte noch heraus, 130-150 kg, eine weibliche Leiche
steckt kopfüber im Abwasserkanal. Bettina Boll ermittelt. Zusammen
mit Kollegen hat sie die undankbare Aufgabe, sämtliche Kanaldeckel
zu inspizieren, zu prüfen, ob nicht weitere Leichen versteckt sind.
Gerade hatte sie ein Winzigkeit Luft in ihrem Leben, Sommerferien, die
Kinder waren im Zeltlager. Gullydeckel, Befragung von Anwohnern,
eine weitere Leiche wird gefunden. Bettina wird in eine Soko
abkommandiert. Tante Elfriede wird ins Krankenhaus abtransportiert.
Boll ist die einzige Verwandte und sie hat kein gutes Verhältnis zur
Tante. Elfriede lebt allein, ein wenig verwahrlost. Nun muss ein
Pflegeheim organisiert werden. Die Kinder kommen bald zurück. Der
Chef macht Druck im Ermittlerteam, wie soll man alles unter einen Hut
bekommen? Nessa, die Kollegin von Bettina, nicht unbedingt ihre beste
Freundin, funkelt Bettina an. Denn Ackermann hat mit Nessa Schluss
gemacht. Die ahnt, es bahnt sich etwas mit Bettina an. Wie reagieren
die Kinder von Ackermann und Bettina auf eine Beziehung? Als wenn
die Arbeit nicht genug Stress mit sich bringt, steckt Boll mit ihren
privaten Gefühlen in Turbulenzen, lässt sie kaum Luft holen.
Polizeiarbeit ist ein Zusammenspiel eines Teams, Puzzlearbeit,
Morgenbesprechung, Leitstelle. Jeder Polizist führt einen kleinen PC
oder ein Tablett dabei, gibt unverzüglich seine Informationen weiter,
die Zentrale sortiert, jeder hat Einblick in den Verlauf.
Kriminalkommissarin Bettina Boll begibt sich einmal mit jenem, dann mit
einem anderen Kollegen auf Recherchearbeit, auch fährt sie mal allein
in ihrem zugemüllten Ford Taunus zu einer Befragung. Übergewichtige,
Magersüchtige, eine Diätgruppe, skurrile Typen, Hausfrauen, wer
mauert, wer lügt? Die Ermittlung erscheint kompliziert. Kann Bettinas
Kollege Radduz, der chaotische Computernerd, Licht ins Dunkel
bringen?
Essstörungen sind das Leitthema dieses Krimis. Nebenbei erfährt der
Leser einiges aus der Szene. Monika Geier beschreibt unaufgeregt
Polizeiarbeit, wie sie in der Realität aussieht. Unmengen von
Einzelinformationen müssen zum großen Ganzen zusammengesetzt
werden. Was ist wichtig, was führt in eine Sackgasse? Der Plott ist
logisch und durchdacht, genaue Ermittlungsarbeit und pfiffige
Kombination von Sachverhalten führen letztendlich zum Täter. Tante
Elfriede, der Albtraum Bettinas Kindheit. Tina ist die Einzige, die
verblieben ist. Es ist ihr Los, sich um die Tante zu kümmern, die sie in
ihrem zugemülltem Haus findet.
»Bettina drückte die Tür weiter auf und machte einen Schritt in den
Raum. Sie versuchte, durch den Mund zu atmen, aber das half nicht
viel. Der Geruch war entsetzlich und Bettina dachte, ihre Tante sei tot.
... Die Decke war voller Flecken, die Kot und Essenreste oder beides
sein mochten. Bettina schluckte mehrere Male heftig und schmerzhaft
...«
Eine klug aufgebaute Geschichte, die richtige Polizeiarbeit schildert
und das Privatleben der Ermittler durchleuchtet, die es nie einfach
haben, ihre Arbeit mit der Familie unter einen Hut zu bekommen.
Bettina muss auch schon mal klarstellen, dass sie nur Teilzeit angestellt
ist. Ein guter Schuss Humor würzt die Gesamtkomposition. Dieser Krimi
zeigt realgetreu Menschen wie du und ich. Ein sanfter Krimi, aber
garantiert nicht auf leisen Sohlen.
Zum Interview mit Monika Geier
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