Autorin
Sabine Ibing
IIn ihrer Kindheit wollte sie Pipi Langstrumpf sein, Bäume ausreißen,
machen, was sie will. Und als sie erwachsen ist, macht sie, was sie
will. Am Anfang des Buchs erklärt uns die Protagonistin, sie hat sich
entschieden, eine Mörderin zu sein. »Ich beginne mit Hermann.«
Und so nimmt sie uns mit auf die Jagd.
»Ich beobachte Hermann seit über sechs Wochen. Betrachte diesen
Morast aus verlogener Bürgerlichkeit. Sehe, wie Hermann morgens
aufsteht, sich die Zähne putzt und joggen geht. Wie er danach
duscht, mit einem Applikator Hämorrhoidensalbe in den Enddarm
schmiert, sich die Hände in Unschuld wäscht, sich ankleidet, beim
Frühstück die Zeitung liest ...«
Vielmehr möchte ich zu der Handlung nicht verraten. Wer ein
blutiges Gemetzel erwartet, liegt falsch. Der Tod ist gewiss, aber es
sind keine Schlachtefeste zu erwarten, denn darum geht es nicht.
Sprachlich ist der Roman fein gestaltet, ist es eine Freude, dem Text
zu folgen.
»Wir paddelten durch geheimnisvolle Welten in Sattgrün, Hellgrün,
Dunkelgrün, Lindgrün, Zartgrün, Gelbgrün, Braungrün, Blaugrün,
Smaragdgrün, und das waren nur die üblichen, allgemein
bekannten Grüntöne. … besonders dunkles Kongo-Grün, ein ins
violette tendierendes Brombeergrün, dazu Algengrün,
Schottischgrün, Krötengrün, Eitergrün, Wutgrün, natürlich auch
Rotzgrün und Kotzgrün, Marsmännchengrün …«
Wonach sucht Sie ihre Opfer aus? Geschäftsmänner, betrügerische
Ehemänner oder umherziehende Obdachlose, wo gibt es einen
Zusammenhang? Die Protagonistin hat einen Plan, eine Liste. Wer ist
Sie? Wir erfahren etwas über ihre glückliche Kindheit und ein wenig
über ihre Berufsausbildung. Das ist schon alles. Doch Sie breitet ihre
Gedanken, ihre Beobachtungen vor uns aus, glasklar. Beinahe
voyeuristisch sehen wir durch ihre Augen. Sie beobachtet die Frau,
die sich hübsch macht, sich frisiert, ankleidet, schminkt, auf dem
Weg zu ihrem Liebhaber? Sie weiß, ihr Mann liegt zu dieser Zeit im
Bett seiner Geliebten. Und diese Frau? Die Frau ist auf dem Weg ins
Wohnzimmer, zu einer Verabredung mit sich selbst, und sie säuft
und säuft, tanzt mit sich selbst, weint, Schminke zerfließt, die Frisur
löst sich auf.
Der Roman wird nicht durch die Handlung vorangetrieben, sondern
durch die Hauptprotagonistin, die sich selbst ein Ziel setzt, ein
Handlungszeitfenster hat. Das führt allerdings dazu, dass es lange
braucht, bis die Geschichte in Fahrt kommt. Längen ziehen die
Stränge, hier hätte ich mir mehr Fahrt für einen Thriller gewünscht.
Auf jeden Fall ist dies kein Stoff für Actionliebhaber. Was treibt die
Protagonistin? Da liegt vergraben etwas in den Tiefen des
Gedächtnisses, so viel wird dem Leser bald klar. Am Ende wird Fahrt
aufgenommen, die letzten Puzzleteile fügen sich zusammen. Das
Ende ist überraschend, logisch, schlüssig, es lag doch auf der Hand,
sagt man sich hinterher.
»Ich sehe gerne zu, wenn die Wellen sich zu einem Kamm
auftürmen. Der Moment des auf die Spitze Getriebenen, kurz bevor
es kippt, diese Sekunde höchster Fragilität, kann mich stundenlang
fesseln, bei jeder Welle aufs Neue.«
Ein etwas anderer Thriller, in feiner Sprache, die in diesem Genre
nicht jedem gefallen wird. Mir hat genau das besonders zugesagt,
genauso die Ich-Perspektive der Mörderin. Trotz allem Lobes muss
ich sagen, von einem Thriller erwarte ich mehr Nervenkitzel!
Besonders am Anfang habe ich Suspense vermisst, aber genauso
oft im weiteren Verlauf. Spannung erzeugt sich nicht ausschließlich
durch Thrill, auch erzählerisch kann sie erzeugt werden. Gemischte
Gefühle bei diesem Buch, doch zum Guten tendierend.
Marina Heib hat lange als Journalistin mit dem Schwerpunkt Film
gearbeitet, bevor sie 1998 selbst anfing, Drehbücher zu schreiben
für TV-Serien wie zum Beispiel »Rote Rosen«, »Marienhof« oder »In
aller Freundschaft«. 2008 brachte sie ihren ersten Krimi heraus,
»Weißes Licht«, ihrem ersten Krimi um Kommissar Beyer und die
Psychologin Maybach.
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Rezension
Drei Meter unter Null
von Marina Heib