© Sabine Ibing, Lorib GmbH         Literaturblog Sabine Ibing
Autorin Sabine Ibing
Der erste Satz: »Vier Stunden nachdem sie in Detroit aus dem Flugzeug gestiegen war, saß Crissa in der Innenstadt in einem geparkten Wagen und beobachtete einen rostzerfressenen Subaru mit einer halben Million Dollar im Kofferraum.« Crissa ist wieder auf Beutefang. Eine Gangsterin, die dem Leser ans Herz wächst. Wer sind die Bösen, wer die Guten? Na, die guten Bösen sind die Guten, eine wie Crissa. Gewalt gegen Frauen? Probier es mal mit Crissa, sie wird dir das Fürchten lehren. Sie hasst Gewalt, aber in ihrem Metier geht es manchmal nicht anders. Wer sie angreift, wird ihren Zorn ernten, aber sie ist nicht nachtragend, tötet nur, wenn es heißt: Ich oder du! Ihr weiches Herz richtet sich hin und wieder auch gegen sie, denn andere vergessen nicht, sind nachtragend. Ist Crissa ein Supergirl? Nein, wirklich nicht. Und genau darum mag ich die Serie. Sie ist ziemlich intelligent. Wie in der Realität sind Jungs aus dem Milieu oft hohlköpfig, glauben, sie wären der King und trauen einer Frau rein gar nichts zu. Das macht sich Crissa zu eigen und hebelt sie aus. Dazu hat sie ein gutes Bauchgefühl und gute Augen, hat ein Gefühl für Ratten. Dumme Menschen sind berechenbar, selbst ihre Hinterhältigkeit lässt sich einkalkulieren und Crissa kann rechnen. Der Deal steht in diesem Buch am Anfang. Crissa raubt keine Supermärkte aus, sie konzentriert sich auf Schwarzgeld der Unterwelt. Zusammen mit zwei Kollegen, denen sie traut, und einem Whistleblower, den sie für unprofessionell hält, ziehen sie nach Crissas Plan einen Überfall durch. Der Plan funktioniert, zurück im Versteck soll das erbeutete Drogengeld aufgeteilt werden. Doch einer unter ihnen spielt falsch, ist zu gierig, das Szenario endet in der Katastrophe. Im Original heißt der Titel : »Shoot the woman first«. Sie ist gefährlich, kann sie entkommen? Natürlich, aber man ist ihr auf den Fersen. Der Besitzer des Geldes schäumt vor Wut und schickt den runtergekommenen Ex-Cop namens Burke auf Crissas Spur. »Sie schwang den Schläger, zielte auf die Außenseite seines linken Knies, fühlte den Schlag bis in ihre Schultern. Sein Bein knickte ein, er fiel um wie ein gefällter Baum. Sie zielte auf die Waffe, traf nicht, aber erwischte sein Handgelenk. Der Revolver flog an die Wand und landete zu ihren Füßen.« Crissa ist schlicht eine Verbrecherfigur. Sie ist eine schlechte Mutter, lässt ihre Tochter von einer Cousine erziehen. Ihr schlechtes Gewissen plagt sie immer wieder. Trotzdem mag der Leser sie. Sie ist empathisch, sogar mit den letzten Arschgeigen, sie teilt, wo sie nicht teilen müsste, unterstützt andere, bringt sich für andere in Gefahr und wenn sie stiehlt, trifft es die Richtigen. Kann es eine solche Figur geben? Warum nicht? Auch Berufsverbrecher können empathisch sein. Crissa wirkt nicht aufgesetzt, vielleicht ist die Figur gerade darum so glaubwürdig. Wallace Stroby schreibt, schnell, spannend, man kann nicht aufhören zu lesen. Aber das ist es nicht allein. Der Schreibstil hat etwas drehbuchartiges, man ist dicht an der Figur dran. Doch die meisten Bücher im Drehbuchstil haben Kracher, Stunts, Supermänner/frauen, die man gern im Kino anschaut, aber bitte nicht auf Papier. So ist Stroby nicht! Er schreibt in Bildern, in Subtext, man sieht die Szene vor sich, steigt in Crissas Kopf, sieht und denkt mit ihr. Bilder, die alles sagen, was ist, was folgen wird, ein Satz, ein Bild, und eine ganze Geschichte läuft im Kopf ab. Der Noir-Autor taucht in die schmutzigen Ecken der Großstädte ab, zeigt ein Gesellschaftsbild der armen Leute. Zeigt Elend, vernachlässigte Kinder, Familien, die abrutschen, nirgendwo aufgefangen werden, weil das Sozialsystem nichts auffangen kann. Gewalt und Drogen, keine Zukunft. Als Setting spielt diesmal Detroit eine Rolle, einst eine reiche Stadt, als die Autoindustrie noch boomte, heute verarmt, totaler Rückzug der öffentlichen Hand, nicht nur das Bahnhofsgebäude ist eine Ruine. Ein Moloch des Verbrechens.  Ein klassischer Gangsterroman. Genauso will ich sie lesen! Weder Hackebeilchen noch am Fließband missbrauchte Frauen und Kinder, das braucht der Roman nicht. Gewalt gibt es genug, angedeutete, und die reale Gewalt der Straße. Und das ist schon jede Menge. Mehr von Wallace Stroby: Geld ist nicht genug von Wallace Stroby zeitgenössische Romane Krims und Thriller Historische Romane Fantasy, Fantastic, SciFi, Utopien Dystopien Sachbücher (für jedermann) Kinder- und Jugendliteratur
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Fast ein guter Plan von Wallace Stroby
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