Autorin
Sabine Ibing
»Es war ein baumlanger Kerl aus dem Mecklenburgischen, der an
diesem frühen Morgen an Deck des Frachtewers ›Berta‹ stand und
seinen Prim in die Wange steckte.«
Ein historischer Roman, Kiel 1896, Kaiserzeit, es herrscht der Kalte
Krieg zwischen Deutschland und dem restlichen Europa. In diesem 3.
Band um Hauke Sötje ist der Nord-Ostsee-Kanal fertiggestellt, wird
fleißig befahren, heißt zu dieser Zeit noch Kaiser-Wilhelm-Kanal.
Kommissar Hauke Sötje hat wieder einen Mord zu klären, den
manche Leute gern als Selbstmord abtun wollen. Ein totes
Dienstmädchen ist keine aufwendige Ermittlung wert. Doch Hauke
lässt nicht locker. Obendrein bekommt er von hoch oben einen
Auftrag, von dem sein Chef nichts wissen darf. Er gerät zwischen
die Fronten zweier Geheimdienste, soll einen Spion beschützen,
erkennt dabei zu spät, dass er in eine Falle getappt ist. Haukes
Verlobte Sophie Struwe, die beim Konsul Winter als Lehrerin
arbeitet, wird involviert ihre Kontakte zu nutzen, um für Hauke
etwas über eine teure handgeklöppelte Spitze herauszubekommen,
die es anscheinend nicht in Deutschland zu kaufen gibt. Sophie, eine
clevere Frau, eigenständig, nicht auf den Mund gefallen,
recherchiert auf eigene Faust und steckt ihr Näschen zu weit in
Dinge, die sie nicht angehen.
»Als die kaiserliche Barkasse am Kai bei der Germaniawerft ankam,
spielte die Musikkapelle auf. Zu den Klängen der »Wacht am Rhein«
trat Fürst Gregorijn an Land, wo ihn ein dürrer Herr mit wuchtigem
weißen Vollbart in zackiger Manier begrüßte. Er stellte sich als
Repräsentant des neuen Pächters der Germaniawerft vor. ›Otto
Jennicke, Friedrich Krupp AG, Berlin. Zu Diensten.‹«
Von der Geheimdienstseite erhält Hauke den Auftrag, einen Max von
Sülau zu beschützen, auf den ein Anschlag geplant sei. Von Sülau,
russischer Agent, ist Begleiter von Fürst Gregorijn, der in Kiel
erwartet wird. Genau dieser von Sülau gehört zu Haukes altem
Leben. Der ehemalige Kapitän Hauke Sötje, hat mit diesem
Doppelagenten eine Rechnung offen, es ist sein ärgster Feind.
»Die Ermordung des Schahs von Persien hat begreiflicherweise auf
den Sultan tiefen Eindruck gemacht. Zu seiner vorläufigen
Beruhigung und zur Dokumentierung der gemeinsamen Interessen
des türkischen und des persischen Despotismus haben die Behörden
eine kleine Babisten-Verfolgung eingeleitet. - Originalauszug:
Kanalzeitung, 1896«
Jedes Kapitel beginnt mit einer Kurznachricht aus der historischen
Kanalzeitung. Das gehört nicht zur Handlung, gibt einen aber
Eindruck in die Zeit. Mal politisch, mal modisch, mal kulinarisch, mal
ernst, mal heiter. Diese Idee hat mir in dem Vorgänger von Hauke
Sötje schon gut gefallen, lässt den Leser emotional in die Zeit
gleiten.
»Hauke, der nur wenige Meter hinter Wolnikov stand, der wiederum
nahe dem Fürsten etwaiger Befehle harrte, wusste, dass von
Ahlefeld als künftiger Oberwerftdirektor der Kaiserlichen Werft
gehandelt wurde. Dass jeweils ein Vertreter der Krupp AG und von
Ahlefeld gemeinsam hier waren, durfte dem Fürsten als
gefährliches Signal dienen, wie eng deutsche Wirtschaft und
Kriegsmarine zusammenarbeiteten.«
Wieder viel Historisches hoch im Norden, schon allein dafür lohnt es
sich, das Buch zu lesen. Politische Verwicklungen, neue Erfindungen
und eine Sprache, die mit historischen Begriffen agiert. Der ein oder
andere Snack mit plattdeutschem Einschlag gibt eine rundum
norddeutsch-historische Kulisse. Der Leser spürt, die Autorin weiß,
wovon sie spricht, eine liebevolle Recherche, nicht nur zu
geschichtsträchtigen Ereignissen. Der Krimi ist spannend, mit einer
Portion Humor, in mehrere Stränge geteilt, die zum Ende
zusammenlaufen. Am Ende wird mir ein bisschen zuviel geredet, um
die Fäden aufzulösen, zwei Männer, die sich gegenseitig töten
wollen, erklären sich dabei lang ... Mir hat das Buch gut gefallen, die
Liebe zum Detail. Endlich mal wieder Historisches mit
Hintergrundwissen.
Ein letzter Rat: »Zur Vorsicht bei Benutzung von Bleistiften wird
gegenwärtig in verschiedenen Lehrerzeitungen gemahnt. Und zwar
wird namentlich die größte Sorgfalt beim Anspitzen der Bleistifte
empfohlen sowie vor dem Anfeuchten mit den Lippen gewarnt. –
Originalauszug: Kanalzeitung, 1896«
Weitere Infos zur Autorin Anja Marschall:
Lizzis letzter Tango von Anja Marschall
Tod am Nord-Ostsee-Kanal von Anja Marschall
Interview mit Anja Marschall - zur Blogtour
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von Anja Marschall