Autorin
Sabine Ibing
»Der Baum war wie eine Zeitkapsel, man stellte sein Auto drunter
und befand sich unversehens im vergessenen Außenposten
einer uralten Schattenwelt. Sie fröstelte. Wie immer hier. … Alles
viel zu groß, darum längst schleichend stillgelegt und umgeben
von zudringlichen alten Gehölzen.«
Bettina Boll ermittelt, die 7. Folge. Und für mich ist dieser Fall ihr
Bester. Sie kennen Boll noch nicht? Nach dem Tod ihrer Schwester
hatte die Kommissarin die Betreuung der beiden Kinder
übernommen und sich auf eine Halbtagsstelle setzen lassen.
Kollege Ackermann ist ihr Teampartner: zuverlässig, kernig, ein
Freund, fast eine kleine Affäre. Der wiederum war länger mit
Nessa leiert. Und mit dieser wiederum kann Boll nicht besonders
gut, Reibereien zwischen beiden gehören zum Alltag. Härtling der
Chef, nicht sehr sympathisch. Tante Elfriede, eine ziemlich
garstige Tante, die Boll und ihre Schwester großgezogen hat,
gehörte auch zum Ensemble, nicht zu vergessen der alte Ford
Taunus, immer zugerümpelt, die Beifahrertür klemmt. Man kann
sich vorstellen, dass die Arbeitszeit der Polizei nicht immer mit
der Betreuung von Kindern und Tanten zusammenpasst. Boll ist
immer unter Zeitdruck, zu beiden Seiten, Berichte schreiben ist
nicht ihr Lieblingsthema. Sie hat eine gute Spürnase und geht
gern Dingen auf den Grund, hält sich nicht immer an ihre
Aufträge, was die Kollegen als chaotisch interpretieren. Wer die
alten Bände nicht gelesen hat, kann aber ohne Weiteres neu
einsteigen.
So viel zu Boll. Tante Elfriede ist im letzten Band verstorben. Nun
hat Boll das Haus geerbt, eine düstere verkommene Hütte, riesig,
antik, mit einem großen Garten. Bei der Begehung mit Makler und
Kunden zeigt sich ein Geheimnis im Keller.
Boll wird aber fortgerufen. Ein Kollege ihrer Dienststelle in
Kaiserslautern ist in einem heruntergekommenen Puff in
Frankfurt erschossen worden: Ackermann. Der hat dort aber
nicht ermittelt, sondern war Stammkunde, erschien hier immer in
seiner uralten Polizeiuniform samt seiner Dienstwaffe. Was hat
Ackermann in einem Kinderpuff gemacht? Doch heimlich
ermittelt? Abgründe tun sich auf. Das Haus war bisher
unauffällig. Die Nutte, die ihn mit seiner Pistole erschossen hat,
ist flüchtig. Aber sie hat die Polizei informiert. Die Kollegen stehen
schockiert um die Leiche, als eine neue Meldung einschlägt. Die
Frau hat eine weitere Person erschossen, einen Schuldirektor im
Badischen. Sie behauptet, sie wäre Meggie, das Mädchen, das in
dieser Kleinstadt vor 10 Jahren entführt wurde. Der Fall ist
länderübergreifend, eine Soko wird eingerichtet, ein Fall von
Kinderprostitution scheint dahinterzustecken. Bettina Boll ist
dabei.
»Lewwerknepp. Der Alptraum war wahrgeworden: Bettina saß in
einer Pfälzer Traditionsgaststätte, um sich herum die
Pirmasenser Truppe, die nicht bereit war, einen Sonntag ohne
ein warmes Essen mit Bratensoße vergehen zu lassen und vor
sich einen Tisch aus wuchtigem Holz, der mit abwaschbaren
Blumengestecken und riesigen Tellern bestückt war.«
Die Pfälzer Kolleginnen mögen Boll nicht, und Boll mag sie nicht,
die gemütlich die Sache angehen, ganz nach Vorschrift, eine
dreistündige Mittagspause benötigen. Bolls Hinweis auf die Kinder
und Halbtagsstelle enden in Vorwürfen, sie würde den andern
die Arbeit lassen, sich verpieseln. Die Kinder sind sich meist selbst
überlassen, doch am Sonntag spring Nessa ein, die plötzlich eine
kameradschaftliche Seite zeigen kann. Die Handlung zeigt sich
sehr komplex, die Ermittler haben in ein Wespennest gestochen,
Boll fährt durch die Gegend und dann landet auch noch Härtling,
Bolls Chef, im Krankenhaus, schwer krank. Jeder will etwas von
Boll: Die Kinder, die Kollegen, Zeugen, Härtling, Vorgesetzte und
irgendwer will ihr sogar etwas anhängen. Atemlos hetzt der
Leser mit Boll durch den Krimi, hat Mitleid mit den Kindern, die
sich von Pizza, Pizza, Brötchen, Pizza, Zimtschnecken, Brot und
Pizza ernähren müssen.
»›Jo«, sagte Jeblick, ›wann ses net iwwern Preis mache, dann halt
iwwer die Menge. So wie frieher is des nimmie, wo de als
sundachs um zwölf in die Wertschaft bisch un es hat gehall bis
am Mondachmoje.‹«
Monika Geier hat eine dichte Handlung geschaffen, die
sprachlich und atmosphärisch ein Lesevergnügen ist.
Wundervolle Beschreibungen, Typen, über die man schmunzelt,
fiese Charaktere, verlassene Seelen, geschundene Kinder, ein
Zusammenspiel von fein ausgearbeiteten Figuren. Macht,
Eifersucht, Intrigen, Mitgefühl, Landei gegen Städter, ein
bisschen pfälzischer Dialekt, das Ganze in eine spannende Story
integriert. Drei Stränge: Boll in der Ermittlung, das Mädchen
(kursiv), die Kinder und der Gruselkeller. So muss ein Krimi sein.
Nicht vom Cover beeindrucken lassen, das dieses Mal nicht
einladend gelungen ist. Gibt es einen weiteren Boll mit neuem
Anfang? Tante Elfriedes Haus verkauft, der Taunus röchelt aus
dem letzten Loch, Chef und Teamkollege verstorben, wir werden
viel Neues zu lesen haben.
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